Einzelhaltung von Katzen – ja oder nein!?
Das Thema Einzelhaltung von Katzen bewegt immer noch die Gemüter von Katzenliebhabern. Doch immer mehr Untersuchungen zeigen, dass Katzen nicht die Einzelgänger sind, wie jahrzehntelang vermutet wurde. Sie sind vielmehr soziale Wesen, die ein ausgeprägtes Sozialverhalten haben und den Kontakt zu Artgenossen nicht nur dulden, sondern sogar bewusst suchen.
Diese Tatsache wird auch mehr und mehr den Katzenhaltern in Deutschland bewusst. Laut statista.com lebten 2021 rund 16,7 Millionen Katzen in den deutschen Haushalten und davon 56% in Mehrkatzenhaushalten mit zwei (39%) sowie drei und mehr Katzen (17%).
Diese Mythen halten sich hartnäckig im Bewusstsein der Gesellschaft:
- Mythos 1: Katzen sind von Natur aus Einzelgänger
- Mythos 2: Meine Katze ist alleine glücklich
- Mythos 3: Andere Katzen sind alleine auch glücklich
- Mythos 4: Meine Katze mag keine anderen Katzen
- Mythos 5: Mein Hund leistet der Katze Gesellschaft
- Mythos 6: Ich bin die meiste Zeit Zuhause
- Mythos 7: Eine Katze in Einzelhaltung bindet sich stärker an den Menschen
- Mythos 8: Mehr Katzen bedeuten mehr Arbeit, mehr Zeit, mehr Dreck
- Mythos 9: Mehr Katzen machen mehr kaputt
Mythos 1: Katzen sind von Natur aus Einzelgänger
Immer noch hält sich der Irrglaube, dass Katzen Einzelgänger sind. Diese Annahme beruht vielleicht auf dem unabhängigen Wesen von Katzen sowie der Tatsache, dass wir Freigängerkatzen oder wildlebende Hauskatzen auf ihren Streifzügen durchs Revier fast immer alleine antreffen. Aber nur weil wir Katzen draußen alleine antreffen, sind sie noch lange keine Einzelgänger. Doch warum macht es den Anschein, dass Katzen Einzelgänger sind? Das liegt vornehmlich an der Revieraufteilung. Das Revier einer Katze teilt sich in drei Bereiche auf: das Kerngebiet (Heim erster Ordnung), das innere Revier (Heim zweiter Ordnung) und das Streifgebiet. Letzteres entspricht bei Wohnungskatzen dem inneren Revier. Das Kerngebiet ist das sichere Zuhause und ein vertrauter Rückzugsort, in dem die Katze schläft, frisst und ihre Kitten aufzieht. Aber dies ist auch der Bereich, in dem sie soziale Kontakte pflegt. Das innere Revier schließt sich diesem an und umfasst bei Wohnungskatzen den Rest der Wohnung bzw. des Hauses. Bei Freigängern schließt sich daran das Streifgebiet an, in welchem die Katzen umherstreifen. Und genau in dem Streifgebiet treffen wir Katzen auch an, als Einzeljäger.
Untersuchungen belegen: Katzen brauchen Sozialkontakt
Der Bericht “The Social Lives of Free-Ranging Cats” (→ Link) von Kristyn R. Vitale (2022) fasst die wichtigsten Untersuchungen über das Verhalten von freilaufenden Katzen zusammen. In vielen Untersuchungen wird deutlich, dass Freigängerkatzen in sozialen Verbänden leben. Es wurden beziehungsorientierte Verhaltensweisen beobachtet wie Zeit in der Nähe voneinander verbringen, mit Körperkontakt beieinander schlafen, das gegenseitige Putzen, Spielen mit körperlichen Kontakt bzw. Spielen mit einem gemeinsamen Objekt, sich Jagen, mit der Pfote schlagen, Ringen, sich Begrüßen („Naseschnüffeln“ – Berührung der Nasen). Die häufigsten Interaktionen wurden von erwachsenen Weibchen zu erwachsenen Männchen, zwischen erwachsenen Weibchen, von Müttern zu erwachsenen Töchtern, von erwachsenen Weibchen zu Jungtieren und von Jungtieren zu Müttern beobachtet. Dabei haben verschiedene Faktoren wie Verwandtschaft, Vorhandensein und Verteilung von Futter, Kastration oder Potenz einen positiven oder negativen Einfluss auf die Ausprägung des Sozialverhaltens.
Mythos 2: Meine Katze ist alleine glücklich
Kitten brauchen Kitten
Kitten wachsen in der Regel mit ihren Geschwistern auf und in den seltenen Fällen eines Einzelkindes wächst im Einfluss durch die Mama und noch anderen Katzen auf. In diesem Verbund lernt es alles, was ein Kitten für das Leben als soziale Katze benötigt. Sie spielen zusammen, toben die Kletterbäume hoch und runter, raufen und ringen sich gegenseitig nieder, jagen sich kreuz und quer durch Räume und messen ihre Kräfte. Kurz sie schulen ihre Motorik und bauen dadurch Energie ab. Energie, die sie ohne Spielpartner anders loswerden müssten. Kitten, die alleine leben und in dem Moment, in dem sie bereit sind für all diese lustigen Dinge, niemanden gleichgesinntes haben, suchen sich selber eine unterhaltsame Beschäftigung. (Siehe hierzu Mythos Nr. 9). Vor allem Kitten brauchen zur inneren Balance und für eine ganzheitliche Forderung und Förderung ein anderes Kitten bzw. eine Jungkatze.
Glücklich oder unglücklich?
Woran machen wir das Glück bzw. Unglück unserer Katze fest? Sie frisst, trinkt, spielt, tobt, kuschelt mit uns und schläft viel? Alles wie immer? Normalerweise spiegeln sich die Emotionen von Katzen in ihrer Körpersprache wider. Extrovertierte Katzen finden meistens einen deutlichen Weg mit uns zu kommunizieren, vielleicht durch plötzliche Unsauberkeit oder auffälliges Möbelkratzen. Auch bei eher introvertierten Katzen zeigen sich die Gemütslagen, doch hier in viel feineren Nuancen. Und vielleicht haben wir ihre Hilferufe nicht verstanden. Katzen sind sehr gutmütig und anpassungsfähig und leiden dann still und leise. Unterforderte oder bereits vereinsamte Katzen neigen dazu, noch ruhiger zu werden, teilweise sogar depressiv. Beides fällt uns nur selten auf, da eine ruhige Katze oftmals als normal gilt oder sogar erwünscht ist. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass die Abwesenheit von Verhaltensauffälligkeiten kein Hinweis auf eine glückliche Katze ist.
Mythos 3: Andere Katzen sind alleine auch glücklich
Vor allem in Werbespots im Fernsehen wird uns vorgelebt, dass die Einzelhaltung von Katzen in Ordnung sei. Ich denke da bspw. an die Sheba Werbung von 1991. In dieser Werbung läuft eine Katze zum hübsch dekorierten Futterteller. Die doppelt gezeigte Kuschelzeit mit der Katzenhalterin vermittelt uns den Eindruck einer glücklichen Katze.
Nicht alles, was andere Menschen tun oder uns im Fernsehen gezeigt wird, ist richtig.
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Mehr InformationenMythos 4: Meine Katze mag keine anderen Katzen
Vielleicht liegt bzw. lag es auch einfach an dem von uns ausgewählten Katzenpartner. Auch bei Katzen entscheidet über ein harmonisches Zusammenleben die Sympathie. Wer wird schon gerne vor vollendete Tatsachen gestellt, findet dann den neuen, noch gänzlich unbekannten Mitbewohner auf Anhieb großartig und teilt sich mit ihm sofort das Bett? Anfängliche Unsicherheit und Ablehnung ist auch bei Katzen ganz normal und sollte erlaubt sein. Zeit und Geduld ist der richtige Weg, denn gute Freundschaften entstehen oft erst über einen längeren Zeitraum, in dem Vertrauen langsam entsteht.
Sympathie oder fehlende Sympathie spielt immer die wichtigste Rolle, wenn in einem Haushalt zwei Katzen sich strikt meiden bzw. nur dulden. Wenn nun bspw. eine Katze verstirbt, bedeutet dies für die Zukunft keine generelle Abneigung gegenüber einem Katzenpartner. Vielmehr fehlte höchstwahrscheinlich in diesem besonderen Fall (explizit mit dieser anderen Katze) einfach die Zuneigung.
Mythos 5: Mein Hund leistet der Katze Gesellschaft
Hunde und Katzen sprechen unterschiedliche Sprachen. Katzen brauchen Katzengesellschaft, damit sie sich artgerecht mit der eigenen Laut- und Körpersprache verständigen können. Die ungleiche Kommunikation ist der Hauptgrund, warum Hunde und Katzen sich bei den meisten Begegnungen nicht verstehen und Missverständnisse entstehen. Zudem braucht eine Katze für das seelische Gleichgewicht intensive Jagd- und Raufspiele, die gegenseitige Fellpflege sowie gemeinsame Kuschelzeiten. Ein Hund zeigt in allen Bereichen andere Fähigkeiten und kann daher die Bedürfnisse einer Katze nicht bzw. nur wenig befriedigen.
Mythos 6: Ich bin die meiste Zeit Zuhause
Auch wenn wir den ganzen Tag Zuhause sind, sogar von Zuhause aus arbeiten und der Katze Gesellschaft leisten könnten, haben wir doch in den Momenten, wenn die Katze uns braucht, etwas zu erledigen. Wir haben oft einfach nicht die Möglichkeit, der Katze unsere sofortige und 100%-ige Aufmerksamkeit zu schenken. Zudem tun wir uns doch schwer, alle Kommunikationsarten komplett zu übernehmen und die notwendigen Bedürfnisse zu erfüllen. Ich denke hier insbesondere an die übliche Begrüßung wie Am-Hintern-Schnüffeln, die tägliche Fellpflege, das gemeinsame Kuscheln in der Hängematte oder die Verfolgungsjagd mit anschließendem Ringen. Spätestens wenn eine Katze mit unserem Arm raufen möchte und hierbei wie so häufig im Spiel mit Artgenossen die Krallen ausfährt, ist das Spiel beendet.
Mythos 7: Eine Katze in Einzelhaltung bindet sich stärker an den Menschen
Bei in Einzelhaltung lebende Katze wird oftmals angenommen, dass sie anhänglicher, zutraulicher und verschmuster sei, als in Anwesenheit von Artgenossen. Hier wird schnell die extreme Abhängigkeit einer Katze mit niedlicher Anhänglichkeit verwechselt. Eine Katze in Einzelhaltung muss sich ihre Bedürfnisse nach sozialem Kontakten statt von einem Artgenossen nun komplett von uns holen und ist so noch abhängiger von unserer Bereitschaft.
Existiert echtes Verständnis und tiefes Vertrauen zwischen Mensch und Katze kann auch eine Katze in einem Mehrkatzenhaushalt eine enge Bindung zu ihrem Menschen aufbauen.
Mythos 8: Mehr Katzen bedeuten mehr Arbeit, mehr Zeit, mehr Dreck
Der Aufwand bei zwei Katzen ist unwesentlich größer als bei einer Katze, sodass er gar nicht auffällt. Bei zwei Katzen müssen statt einem Futternapf zwei Näpfe vorbereitet und eine Toilette mehr sauber gemacht werden. Beide Tätigkeiten bedürfen nur ein paar Minuten mehr im täglichen Ablauf. Es fallen zwar mehr Streukrümel neben die Toiletten und es liegen ein paar Haare mehr rum, doch das macht der tägliche Gang mit dem Staubsauger alles weg. Einzig die Zeit für sozialen Kontakt, das miteinander Spielen und Kuscheln nimmt jetzt die doppelte Zeit in Anspruch, schenkt dafür aber auch doppelte Liebe.
Mythos 9: Mehr Katzen machen mehr kaputt
Bei den regelmäßigen Jagd-Spielchen von zwei Katzen kann auch mal ein Blumentopf zu Bruch gehen. Das ist aber die Ausnahme. Viel häufiger kommt es vor, dass eine Katze in Einzelhaltung, wenn sie nicht genügend ausgelastet ist und so Langweile empfindet, sich selber Beschäftigung sucht. Dabei kommen Katzen auf die kreativsten Ideen: Pflanzen anknabbern, im Blumentopf buddeln, Schanktüren öffnen und die Schränke ausräumen, an Gardinen schaukeln oder neue Kratzvarianten an irgendwelchen Möbeln erfinden. Der Nachteil bei den genannten Dingen ist, dass wir uns der Katze mit großem Interesse zuwenden. Sie lernt, wenn sie dies und jenes macht, schenkt ihr Mensch ihr Aufmerksamkeit. Es steigt die Tendenz, dass eine Katze in Einzelhaltung eher „Blödsinn“ anstellt und so möglicherweise häufiger etwas zu Bruch geht.
Mein Fazit zur Einzelhaltung
Die Anschaffung einer Katze sollte immer sorgsam durchdacht und gründlich überlegt werden. Solltest du dir unsicher sein, lies gerne meinen Artikel über die grundlegenden Punkte zum Katzenkauf (→Link). Insbesondere der Punkt zu den finanziellen Mitteln bzw. den laufenden Kosten ist ein Argument, welches häufig im Zusammenhang mit der Haltung von zwei Katzen fällt. Ich finde diesen Punkt so wichtig, denn wenn man sich bei dem Gedanken an zwei Katzen schon Sorgen um die finanzielle Belastung macht, könnte ggf. auch schon die Haltung und Pflege einer Katze zu teuer sein.
Die Untersuchungen zum Sozialverhalten von Katzen zeigen genau das, was ich jeden Tag in meiner Katzengruppe beobachten kann. Katzen sind höchst soziale Wesen, die den Kontakt mit anderen Katzen bewusst suchen. Besonders Kitten sollten nicht bzw. nicht dauerhaft alleine leben müssen. Sie erleben durch den Auszug einen großen Schock, wenn Mutter und Geschwister nicht mehr da sind und die gewohnte Umgebung plötzlich weg ist. Keiner ist da, mit dem sie auf Katzenart reden, kuscheln und spielen können. Besonders sie brauchen eine andere junge Katze, mit der sie gemeinsam lernen und ihre unbändige Energie abbauen können.
Daher rate ich zum Wohle der Katzen und insbesondere der Kitten, sollte gegen die allgemeine Haltung einer Katze nichts sprechen und genügend (finanzielle) Ressourcen zur Verfügung stehen, zu der Haltung von zwei Katzen.